HVV – Bus und Bahn auf dem Weg in den Wahn?

HVV - Bus und Bahn im Wahn
HVV – Bus und Bahn im Wahn

Seit einer guten Woche grenzt es schon an Bedrängung und Belästigung, sich in jeder Zeitung, im TV, im Radio und eigentlich überall mit der angekündigten Großkontrolle – dem Prüfmarathon – zu beschäftigen.

Die Argumente sind denen des Blitzmarathons nicht unähnlich – die Menschen haben angeblich durch diese Aktion die Möglichkeit, über sich und ihr Verhalten nachzudenken, inne zu gehen – das gesamte Thema der Erschleichung wird stärker ins Bewusstsein der Gesellschaft gebracht.

Seit Montag, wo gerade mal 150 Kontrolleure im Einsatz waren, gibt es die Erfolgsgeschichten – wie viel Geld für Präsentationen und Pressearbeit da wohl eingesetzt wurde, lasse ich als Frage offen. Fakt ist, dass viele Menschen am Sonntag und Dienstag minderbeticket mit der Bahn durch Hamburg fahren konnten – immerhin mussten die Prüfer sich ja vorbereiten oder erholen.

Zum Artikel im Abendblatt: HVV – Bus und Bahn auf dem Weg in den Wahn?

Ja, genau – wir wir alle in der Schule oder zu Hause nach einer „Geh in die Ecke und denke über Dein Verhalten nach“ – alternativ auch „auf Dein Zimmer“ sofort reuig wurden. Oder bei dem Hinweis, dass Zigaretten eventuell doch nicht wissenschaftlich erwiesen dem Aufbau und Stärkung des Immunsystems dienen.

Ich selbst bin als täglicher Nutzer genau 4 Mal kontrolliert worden – in 23 Jahren. Dabei fahre ich so regelmäßig, dass ich doch eigentlich irgendwann dran sein müsste, zumal ich weder außen wohne noch arbeite. Nichts.

Statt dessen wir jede Prüfung größer. Statt wie früher 3 Mann tauchen heute gleich 7 Menschen auf – damit bloß keiner durch die lappen geht. Das Wort der Einzelfallgerechtigkeit macht die Runde. Warum? Soll doch mal einer durchrutschen, wenn die Zahl der Kontrollen dadurch verdoppelt werden kann.

Jetzt werden Zivilfahnder als neue Option angepriesen: Die gab es schon immer – wenngleich nicht zu verleugnen ist, dass man den Prüfer als Mensch oft leicht erkennen kann – ob in Uniform oder neutral.

Wo bleibt der Pragmatismus an der Sache – viele kleine Kontrollen ohne Drumherum und dabei den Fahrgast gleichzeitig die beiden Gefühle geben, dass andere nicht auf seine Kosten kommen und er dennoch nicht belästigt wird durch zu viele oder zu enge Kontrollen.

Denn wer wartet schon morgens an meist hässlichen Bahnsteigen gerne noch eine zusätzliche Viertelstunde, bis er seine Fahrkarte zeigen darf? Oder hat Lust, sich jeden Tag stören zu lassen. Pragmatismus hat viel mit Mittelmaß zu tun.

Von 20 Millionen ist die Rede, die fehlen. Ich vermute Hochrechnungen – denn gleichzeitig ist ja die Frage, warum aus Kostengründen nicht mehr kontrolliert wird. Mehr heißt öfter mit kleineren Trupps und unterschiedlichen Stellen. Um genaue Zahlen zu bekommen, müsste der HVV wissen, wo wer wann schwarz fährt – dann würde es ja reichen, wenn ein zweiköpfiges Team rausfährt und die Bagaluten rausholt 😀

Ich habe mal gelernt, Dinge in Relationen zu setzen. Zwanzig Mio. werden als Zahl als erschreckend, nicht begreifbar wahrgenommen. Sicherlich sind noch nicht mal alle Leser in Ihrem Leben auch nur in die Nähe eines Menschen gekommen, der zwanzig Millionen jemals auf seinem Konto hatte. 2012 waren es laut Statistik-Amt 692,4 Mio Entgelt durch Fahrkartenverkauf – das sind keine 3% Verlust durch Schwarzfahrer, wenn die Zahl von 20 Mio. angenommen wird. Von den erwischten Fahrgästen haben nicht wenige eine Zeitkarte, die irgendwo rumliegt. Auch diese Menschen werden in die Statistiken eingerechnet. Also ist es noch weniger.

Die Frage ist doch eher: Welche Zahl als Verlust kann ich gelten lassen. 2012 wurde der Einstieg vorne in Bussen eingeführt – eine Zumutung in der Stadt, wenn man mehr als sein Handy mitzutragen hat. Die Umsätze steigen jedes Jahr um erfreuliche Zahlen.

Auch wenn angeblich 6 Millionen mehr eingenommen werden durch den Einstieg vorn: Die Steigerungen der Dauerkartenpreise lässt sich nicht beeinflussen. Tägliche Großkontrollen, Einstieg erst mit Fingerabdruck oder weitere Maßnahmen werden es nicht schaffen, die Zahl deutlich zu drücken. Der Gedanke, dass irgendwann die Preise stabil bleiben, wenn die Summe der Schwarzfahrer auf Null gesunken ist, ist so zaghaft wie der Glaube an einen Weltfrieden.

Was ist gegen eine Akzeptanz zu sagen? Ein Kaufmann kalkuliert einen gewissen Zahlungsausfall ein, ein Einzelhändler Schwund durch Diebstahl, ein Gemüsehändler Verderb (o.k. – manche nicht …), ein Arbeitgeber Krankheit, ein Vermieter Mietleerstand und Post und Bahn Streiks. Nein, es ist kein Aufruf zur Ignoranz und Gleichgültigkeit – es freut jeden, unter die kalkulierte Summe zu kommen. Der Kaufmann mit der Möglichkeit der Lieferung auf Rechnung, nicht vorhandene Detektive, die an der Schulter kleben, frisches Obst und und und – das ist doch alles schöner als der verkrampfte Umgang mit Kontrollen.

In Wien kostet eine Jahreskarte für den Stadtbereich gerade einmal 365 Euro im Jahr – die Zahl der Schwarzfahrer ist stark gesunken, die Wiener fühlen sich bestätigt und wer bei Kontrollen erwischt wird, ist kein Held, sondern schlicht ein Depp, den man auslacht. Ausgelacht werden geht mehr an die Substanz als erwischt zu werden.

Die Gerechtigkeit hat gesiegt, der Staat hat seine Bürger im Griff und scheucht die gesellschaftsfernen Menschen weit weg. Zum Schluss einer der schönsten Filme zum Thema:

 

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